Reinigung mal anders
Verfasst: 06.12.2014, 13:02
schön, dass es hier auch ein Rubrik "Verrückte Ideen" gibt, da kann ich mit meinem ersten Forenbeitrag gleich mal mit etwas sehr Ungewöhnlichem kommen, auch auf die Gefahr hin, dass ein Sturm der Entrüstung losbricht. Zumindest scheint es mir doch allgemein interessant zu sein, zumal ja auch gute Vorschläge kommen können.
Zunächst: Ich hatte einen stressigen, aber gut bezahlten Beruf und haber über 30 Jahr nebenbei alte Uhren gesammelt, meist aus guten Quellen vom Fachhändler oder bei seriösen Auktionen. Aus echtem Zeitmangel, und nicht aus Desinteresse, verschwand alles, bis auf die Tisch-, Wand- und Standuhren, in der Schublade. Die Taschen-Uhren stammen, mit wenigen Ausnahmen, aus einer Zeit ab 1730 bis spätestens 1925. Ich habe dabei auch systematisch gesammelt, wollte alle Arten der Hemmung haben oder bestimmte Feinjustierungen an der Unruh. Dann ging es auch nach Hersteller. Ich habe nur Uhren gekauft die völlig ohne Defekt waren und, dem Alter entsprechend, bestens gelaufen sind. Dazu kommen noch eine Vielzahl von alten Uhrwerken aus Taschenuhren die ich noch garnicht gesichtet habe.
Nun dachte ich mir, ich könnte mich im Ruhestand gemütlich darum kümmern und habe die Schätze ausgepackt, wobei ich von vielen Uhren garnicht wusste dass ich sie hatte und wo sie waren. Bei den Taschenuhren handelt es sich um ca. 30 Stück (kein Verkauf, werden vererbt).
Beim Betrachten ist mit dabei leider aufgefallen, dass viele Taschenuhren, aber auch kleinere Tischuhren (Wecker) nicht mehr gingen. Da bewegte sich im Vollaufzug nichts und das "Anstupsen" mit dem Zahnstocker half auch nicht.
Also habe ich "fachlichen" Rat eingeholt. Das die Uhren gereinigt werden müssten war mir schon klar, da ist auch das eine oder andere, vielleicht auch billiges Öl, vertrockent oder verhärtet. Dann kamen Preisvorstellungen von Uhrmachern, die mir die Schuhe ausgezogen haben; das muss alles komplett zerlegt werden und evtl Lager erneuert werden etc. Das ganze gipfelte dann auch darin, dass ich das alle zwei Jahre machen müsste. Was für ein Unsinn! Ich habe sowohl eine mechanische Automatik-Uhr (25 Jahre alt und regelmässig in Betrieb) als auch die uralte Junghans Mega1 Funkuhr (zugegeben im Batteriebetrieb), die haben nur einmal einen Uhrmacher gesehen, vor dem Verkauf an mich. Danach nie wieder.
Gut, die Uhren sind nie gelaufen, in den letzten 20 - 30 Jahren, aber alle zwei Jahre zum Uhrmacher zur "Generalreinigung" kann es doch nicht sein. Wer kann dann noch teure Uhren sammeln, wenn er das nicht selbst machen kann?
Dann habe ich mir gesagt, alles weg und verkaufen und war wieder in "Fachkreisen". Da sollte ich dann für eine Uhr, die mich mal vor 28 Jahren, 2.800,-- Deutsche Mark gekostet hat, 100 Euro kriegen, "weil sie ja nicht geht und man nie weiss was kaputt ist". Bei einer Spindeluhr sehe ich mit blossem Auge in Grundzügen, mit Ausnahme des Blickes ins Federhaus, was Sache ist.
Ich will hier abbrechen und sagen was ich dann gemacht habe. Entweder es geht unkompliziert oder ich löte die Teile zu einer Kollage zusammen.
Die vier Uhren auf dem Bild wurden entweder komplett in Reinigungsbenzin gestellt und hin- und her gezogen, oder ich habe das Zeug mehrfach ins Werk hineingegossen und immer ausgekippt. Das Zeugs verfliegt auch sehr schnell, sodass auch Reste im Werk schnell verdunsten. Danach ging nichts, das lag wohl daran, dass keinerlei Schmierung mehr da war, keine eingetrocknete und keine neue. Dann kam das gute alte Ballistol zum Einsatz (Waffenöl, schmiert, löst Rost und Verunreinigungen und hilft sogar gehen Mückenstiche. Da ich die Düse verloren hatte, habe ich voll eingesprüht, bis das Werk im Schaum stand (geht auch ohne Schäumen, wenn man vorher richtig schüttelt). Das Ganze ein wenig bewegt und mit einem Gerät, mit dem ich Computergehäuse "entstaube", ausgepustet. Und siehe da, die Dinger laufen wie am ersten Tag, regelmäßig und voll durch. Bei einer Tisch-Uhr (Baujahr 1880), die ich nicht auf dem Bild habe, weil sie zu groß und schwer ist und ich sie nicht mehr bewegen wollte, habe ich das Ballistol über Nacht wirken lassen. Da war sogar die Feineinstellung für das Pendel festgefressen. Danach wieder eingebaut, gestellt und aufgezogen. Nach 8 Tagen (!) dann folgendes: Um 20.00 Uhr zur Tagesschau, kam die übliche Begleitmelodie im Fernsehen und präzise da hinein, schlug die "überholte" Uhr ihre acht Schläge. Und die Spindeluhr (auf dem Bild), die schon gelaufen ist, als Wolfgang Amadeus Mozart noch komponiert hat, geht wieder bestens, na, ja 1 Minute hinterher pro Tag.
Ich mache das jetzt mit dem Rest der Sammlung, so eine Uhr pro Woche oder vielleicht warte ich bis zum Frühjahr, da ich das mit dem Reinigungsbenzin, wegen dem Geruch, in der Garage machen muss und das wird mir jetzt langsam zu kalt. Dort kann ich auch die Reste des Reinungsbenzins wieder umfüllen und für gröbere Reinigungsarbeiten benutzen.
Ich hoffe ich bin keinem Fachmann auf die Füße getreten oder habe die ethischen Grundsätze der Uhrreinigung verletzt, aber alle zwei Jahre (oder gegebenfalls weniger häufig) einen Haufen Geld auszugeben, um die Sammlung durchzubringen, kann es wohl auch nicht sein. Und alles mit synthetischem Öl für Jahre schützen, ist auch nicht der Sinn der Sache, ich will die Uhren ab und an auch ticken hören und laufen sehen.