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Informationen zu einer Taschenuhr gesucht

Verfasst: 15.07.2012, 00:11
von Pfaditoto
Hallo Forum, ich habe mich hier angemeldet um über eine bestimmte Uhr etwas mehr in Erfahrung zu bringen. Es geht um eine Taschenuhr aus Familienbesitz, die ich kürzlich von Verwandten bekommen habe. Sie wurde bei einer Wohnungsauflösung gefunden und schlummerte wohl die letzten 65 Jahre ganz vergessen in einer alten Truhe, sie ist so gut wie neuwertig. Die Uhr gibt mir ein paar Rätsel auf, die eventuell mit Hilfe des Forums zu lösen sind.
Das merkwürdigste an dieser Uhr ist, dass auf dem Ziffernblatt, dort wo für gewöhnlich der Verkäufer namentlich aufgedruckt ist, der Name meines Großvaters angebracht ist. Genau steht dort „Hermann Keil“ in der ersten Zeile und „Berlin N.“ (vermutlich Berlin Neukölln) in der zweiten Zeile. Mein Großvater hieß also Hermann Keil und wohnte in Berlin, wie ihr vermuten werdet. Er lebte von 1920 bis Ende des Krieges, er wurde also leider nur 24 Jahre alt. Es gibt keine weiteren Vorfahren, die diesen Namen trugen und ganz sicher auch keine Uhrmacher in der Verwandtschaft. Mich wundert das deswegen, weil es doch wohl unüblich war, dass ein persönlicher Name auf die Uhr aufgedruckt wurde und die Taschenuhr offensichtlich doch schon etwas älter ist als der genannte Zeitraum.
Nun aber genug zur Vorgeschichte, ich werde mal die Uhr beschreiben:
Auf dem Uhrwerk steht ein "D" in einer Raute und diese in einem 6-eckigen Stern, welcher mit horizontalen Linien versehen ist.
Auf der Innenseite des äußeren Deckels sind mehrere Stempel, einmal ein nach rechts offenen Halbmond, daneben eine Krone, dann noch ein Wappen mit XL darin. Daneben noch eine Art Seriennummer (938738/2) und punze für den Silbergehalt (0800).
Auf dem Deckel über dem Uhrwerk steht dann noch „Zylinder 10 Steine“. Auf der Innenseite dieses Deckels steht dann auch noch mal die Seriennummer und darüber das Wort „GUIVRA“, wobei ich mir beim G fast ganz sicher bin und beim A eigentlich nur rate. Der Stempel ist dort nicht ganz zu sehen.
Bei dem D im Stern dürfte es sich wohl um die Manufaktur Dürrstein & Co. Dresden handeln und bei dem Halbmond mit Krone um den deutschen Reichssilberstempel. Mehr habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Ich würde mich über jede Information über die Taschenuhr freuen, etwa das ungefähre Alter und ob es sich bei dem namensaufdruck wirklich um einen Privaten Namen handeln könnte oder ob das abwegig ist.

Re: Informationen zu einer Taschenuhr gesucht

Verfasst: 15.07.2012, 10:13
von Oxygen
Hallo Pfaditoto,

das ist ja eine hochinteressante Geschichte. Für dich ist es sicher ein besonderes Gefühl, die Uhr deines Vorfahren in der Hand zu halten.

Dass der Name des Besitzers auf das Zifferblatt gedruckt wird, ist gar nicht so selten. Das kommt also durchaus schon mal vor. Und die Erklärung, warum auf dem Zifferblatt keine Marke steht, findest du weiter unten im Text.

Der Name "Dürrstein" hat mich auf folgende Fährte gebracht:

Dürrstein & Comp. Dresden

Uhrengroßhandlung

Diese Uhrengroßhandlung wurde von Johannes Dürrstein und Friedrich Dürrstein 1874 in Dresden gegründet und hatte ihren Firmensitz in der Waisenhausstraße 27.

Die Firma "Dürrstein & Comp. Dresden" sicherte sich den Alleinvertrieb der Firma A. Lange & Söhne für das Deutsche Reich. Der Markt für Lange Uhren war aber aufgrund ihres hohen Preises begrenzt und so wurde der in der „Gründerzeit“ wachsende Bedarf an qualitativ guten Taschenuhren unterhalb dieser Preislage im steigenden Maße durch Schweizer Importe abgedeckt.

Um konkurrenzfähig zu bleiben, drängte die Firma Dürrstein nach dem Tod von Adolf Lange seine Nachfolger, ihnen eine preiswertere Taschenuhr für diesen sich entwickelnden Markt anzubieten.

Im Jahre 1878 war es dann so weit, dass dieses Vorhaben umgesetzt werden konnte. Beginnend mit der Seriennummer 20001 kamen die ersten von der Firma A. Lange & Söhne entwickelten und gefertigten Taschenuhren einer niedrigen Preisklasse auf den Markt. Es handelt sich dabei um ein immer noch hochwertiges Pfeilerwerk mit der Signatur „Deutsche Uhrenfabrikation Glashütte“.

Dass auf diesen Uhren weder auf dem Zifferblatt, noch auf dem Werk ein Hinweis auf die herstellende Firma gemacht wurde, lässt vermuten, dass diese Produktionslinie nicht unbedingt der bisherigen Firmenphilosophie der Gebrüder Lange entsprach.

Dürrstein vertrieb u.a. auch Taschenuhren der Marken "Felsenburg", "Monopol" und "Columbus".


Glocken-Union

Da auch die preiswertere Ausführung einer Lange Uhr, die später mit der Signatur DUF bekannt wurde, der Firma Dürrstein noch zu teuer für eine weitere Expansion erschien und die Firma Lange offensichtlich zu keinen weiteren Konzessionen hinsichtlich einer weiteren Absenkung der Qualitätsstufe bereit war, ließ die Firma Dürrstein 1890 unter der eigenen Marke "Union" Uhren für das von ihnen als zukunftsträchtig angesehene Marktsegment fertigen.
Diese wurden auf den Werken und oft auch in den Gehäusen gekennzeichnet durch eine Glocke mit 5 Sternen (Glocken-Union). Die Zifferblätter sind unsigniert
Die Uhren sind schweizer Ursprungs und keine Glashütter Uhren. Findet sich auf einer Uhr der Glocken-Union irgendwo die Aufschrift "Glashütte", handelt es sich mit Sicherheit um eine Fälschung.

Union Glashütte

1893 wurde die Uhrenfabrik Union Glashütte/Sa. von Dürrstein gegründet, die bis 1926 echte und vollwertige Glashütter Uhren fertigte, die in der Qualität mit Lange- und Assmann-Uhren gleichwertig waren. Bildmarke in Gehäusen der Glashütter Uhrenfabrik Union ist ein griechischer Tempel mit 3 Säulen. Die in der Schweiz gefertigten Uhren der Marke "Glocken-Union" wurden noch eine ganze Zeit parallel zu den Uhren der Union Glashütte angeboten. Die Marke Union Glashütte wurde 1996 wiederbelebt und gehört heute der Swatch Group an.
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Ich beziehe mich dabei auf:
http://watch-wiki.org/index.php?title=D ... p._Dresden

Wenn es dir möglich ist, wäre es schön, mal ein paar Bilder - auch vom Werk - zu sehen.

Ich wünsch dir noch einen schönen Sonntag.

Viele Grüße
Oxygen