Keine Ahnung ob das Thema noch für einen der Teilnehmer interessant ist. Ich versuche das trotzdem mal etwas aufzudröseln.
klerol hat geschrieben:in einer Sekunde wechseln (schwingen) die Atome in einer Atomuhr ca. 9 Mrd. mal ihren Zustand (ganz grob gesagt).
Das entspricht dann 1 Sekunde (Erdensekunde).
Was würde in folgendem Szenario passieren:
Man schickt eine Atomuhr zur ISS und lässt sie im Erdorbit mit 30.000 Km/h um die Erde flitzen.
Bekannte ist ja: Durch die Geschwindigkeit sowie der Entfernung zur Erde vergeht die Zeit in der ISS langsamer als auf der Erde.
Aber was können wir auf der Atomuhr in dieser Sekunde sehen?
In einer Sekunde sieht man immer 9192631770 ¹³³Cs-Übergänge, vorausgesetzt sie würden alle streng hintereinander und ohne Pause ablaufen, egal ob man sich mit
seiner Atomuhr auf der Erde oder in einem Raumschiff befindet. Wenn man sich jedoch die Uhr des anderen anschauen würde, dann würde man feststellen, dass in dem Zeitraum den man selbst als eine Sekunde definiert hat auf der Uhr des anderen weniger ¹³³CS-Übergänge stattgefunden haben, dessen Zeit also langsamer abläuf. Wie viel dieses Weniger ist, hängt unter anderem von der Relativgeschwindigkeit ab.
klerol hat geschrieben:Das ist alles sehr schwer vorstellbar. Vor allem wenn man bedenkt, dass bei Lichtgeschwindigkeit die Zeit zum Stillstand kommt.
Wenn die Zeit still steht können auch die Atome nicht mehr schwingen. Demnach müßten die Schwingungen mit zunehmender Geschwindigkeit doch abnehmen bis sie zum Stillstand kommt.
Das ist auch der Fall (vorausgesetzt unsere Modelle stimmen). In einer Atomuhr die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt finden von außen (z.B. der Erde) betrachtet keine ¹³³Cs-Übergänge mehr statt.
Oxygen hat geschrieben:Soweit ich weiß, soll ja Zeit und Raum gekrümmt sein - zumindest in einem Denkmodell. Demnach stelle ich mir vor, dass die Besatzung der ISS während ihrer Reise auf der Zeitebene eine Abkürzung nimmt.
Ja und nein.
Du vermischst hier zwei Sachen. Gemäß der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) krümmt Masse die Raumzeit. Diesen Effekt nehmen wir als Gravitation wahr. Da wir uns (u.a.) im Gravitationsfeld der Erde befinden, befinden wir uns bereits in einer gekrümmten Raumzeit. In Gravitationsfeldern vergeht die Zeit ebenfalls langsamer als in einer kräftefreien Umgebung. Auch die ISS-Astronauten befinden sich im Gravitationsfeld der Erde, sind aber durch die größere Entfernung zum Massezentrum einem geringeren Gravitationspotenzial ausgesetzt. Eigentlich müssten ihre Uhren also schneller laufen als unsere. Um nicht auf die Erde zu stürzen brauchen sie aber eine hohe Geschwindigkeit und dann ist der geschwindigkeitsbedingte Zeitdilatationseffekt dem die Astronauten unterliegen größer als der gravitativ bedingte dem wir unterliegen. Deshalb gehen dort die Uhren (von der Erde aus gesehen) langsamer.
Mit einer Abkürzung im geometrischen Sinn hat das nichts zu tun.
klerol hat geschrieben:Mir ist spontan erstmal folgendes dazu eingefallen:
Das würde dann ja bedeuten, dass die Raumzeit im Urzustand (also OHNE Geschwindigkeit) gekrümmt ist und sich mit der Geschwindigkeit dehnt.
Das ist dann richtig wenn du dich in einem Gravitationsfeld wie z.B. dem der Erde befindest. So lange du ruhst wirkt nur die gravitative Zeitdilatation. Bewegst du dich nun von der Erde weg lässt der Einfluss der Gravitation nach bis du irgendwan kräftfrei bist. Bei der Bewegung von der Erde weg musst du allerdings sehr auf deine Geschwindigkeit achten, da sonst die geschwindigkeitsbedingte Zeitdilatation zu einer Verlangsamung deiner Zeit führt die stärker ist als die nachlassende Zeitverlangsamung durch die wachsende Entfernung vom Massezentrum.
klerol hat geschrieben:Das würde auch ziemlich genau beschreiben (und passen) was die ISS Besatzung und die Bodenstation beobachten können.
Nein, denn der Gangunterschied zwischen den Uhren von Erde und ISS ist auf die geschwindigkeitsbedingte Zeitdilatation zurückzuführen, nicht auf die gravitative.
klerol hat geschrieben:Unser fiktiver Astronaut (der sich mit halber LG bewegt) altert auch nur halb so schnell als auf der Erde.
Nicht ganz. Die Formel für die Zeitdilatation ist nicht linear sondern lautet so:
Wobei T unsere Zeit ist und T' die des Astronauten. Unser fiktiver Astronaut altert also etwa 0,87 mal so schnell wie auf der Erde.
klerol hat geschrieben:Die Entfernung zu seinem Ziel ist 2 LJ. Also müßte er in 4 Jahren sein Ziel erreichen.
Aus der Perspektive eines ruhenden Erdbeobachters, ja.
klerol hat geschrieben:Am Ziel angekommen stellt unser Astronaut aber fest, dass er nur zwei Jahre älter geworden ist.
3,46 Jahre, auch auf seiner Atomuhr.
klerol hat geschrieben:Seiner Rechnung nach müßte er daher mit LG geflogen sein.
Seiner Rechnung nach ist er mit halber Lichtgeschwindigkeit geflogen, er kommt also zum gleichen Ergebnis wie der Beobachter auf der Erde. Zusätzlich zur Zeitdilatation unterliegt er nämlich auch noch der Lorentz-(oder Längen-)kontraktion und wie es der Zufall (oder besser die ART) so will passen beide Effekte genau so zusammen dass sich wieder eine schlüssige Geschwindgkeit ergibt. In Wahrheit ist es ein und der selbe Effekt, deshalb passt das so gut. Wir nennen es nur einmal Zeitdilatation und einemal Lorentzkontraktion weil wir auch im Alltag Raum und Zeit voneinander trennen. Die ART trennt hier nicht und spricht stattdessen von der Raumzeit.
klerol hat geschrieben:Von außen hätte man während des Fluges sehen können, dass die Uhr langsamer läuft (wenn man den zurück gelegten Weg mit der Erdenuhr vergleicht). Der Astronaut merkt aber selber keinen Unterschied, da die Zeit für ihn "normal" zu vergehen scheint.
Richtig.
P.S.: Einige Dinge (wie z.B. die Vernachlässigung von Quanteneffekten bei der ¹³³Cs-Zeitbestimmung, oder die Äquivalenz von zeitlich und gravitativ bedingter Zeitdilatation in Abhängigkeit vom Inertialsystem) habe ich absichtlich vereinfacht dargestellt um nicht zu sehr ins Detail gehen zu müssen.